Offene Prozesse gehören zum Arbeitsfeld einer Avantgarde zeitgenössischer Kunst. Sie befinden sich im Fokus von Vordenkern, u.a. der Bereiche Ökonomie, Stadtentwicklung und Bildung. Von konkreten, lokalen Themen ausgehend, führen künstlerisch begleitete, partizipativ geführte Prozesse zu spezifischen Lösungen hoher Stimmigkeit und Qualität.

Beginn

Kinder und Jugendliche gehen den ersten Schritt. Sie haben einen präzisen Blick für die funktionierenden Bereiche des gemeinsamen Lebensraums und für blinde Flecken. Oft sind sie sich darüber bewusst die nachfolgende Generation zu sein. Ihre Beobachtungen, ihre Experimentierfreude und ihre Offenheit können ein wesentlicher Teil innovativer Entwicklung sein.

Mit Kindern und Jugendlichen zu beginnen öffnet das Herz und schafft die Bereitschaft sich ernsthaft auf die Themen einzulassen. Kinder verbinden, denn den eigenen Söhnen, Töchtern und EnkelInnen wünscht man eine gute Zukunft. In einer vom demografischen Wandel spürbar geprägten Region ist dies spürbar und bewusster ausgeprägt.

Für Kinder und Jugendliche wird viel geplant, sie werden aber in der Regel nicht daran beteiligt.

Das Zitat eines Jungen aus der 4. Klasse der Rolandschule Perleberg, vom 16.12.15, bringt die Bedeutung eines solchen Beginns auf den Punkt: “Ich finde gut an Zukunftsstadt, dass wir selber mitdenken und nicht, wie sonst, nur andere für uns.”

Zusammenarbeit

Im zweiten Schritt kommen BürgerInnen jeden Alters, Fachleute aus der Region, aber auch externe ExpertInnen und die verantwortlichen MitarbeiterInnen der Verwaltung dazu und konkretisieren die Ideen, Beobachtungen, Themen und Visionen weiter. Es gehört zur Verantwortung der Personen die den Prozess begleiten, diesen transparent darzustellen und jeweils weniger Erfahrene, Jüngere oder Schwächere so zu stärken, dass auch deren Beiträge wahrgenommen werden. Ob dies auf Augenhöhe gelingt, lässt sich am Spaß ablesen den die ungewöhnliche Zusammenarbeit an sich herausbildenden Zielen und Ideen bewirkt. Der Beitrag jedes einzelnen ist dabei willkommen. Die kreative Aufgabe für die Begleitung liegt darin möglichst viele Verbindungen zu gesellschaftlich / ökonomisch / … relevanten Themen aufzuspüren und sichtbar zu machen. Alle auftauchenden Bedenken, erweiternde oder verengende Vorschläge sind einzubeziehen.

Konkret werden

Das Potenzial von zu Beginn wagen Ideen und Beobachtungen, präzisiert sich im Konkretwerden. Die Schritte des hier beschriebenen künstlerisch begleiteten Prozesses sind: Ideensammlung, Zeichnungen, kleine Modelle, Zuordnung möglicher Orte, Tests direkt vor Ort, präzisere Modelle und Simulationen, erste konkrete, überschaubare Schritte umsetzen, … . Zu jedem Schritt gehört die Rückkopplung mit den IdeengeberInnen, den weiteren Beteiligten und Fachleuten.

Ausblick

Ziel ist es Alleinstellungsmerkmale der Region präzise zu verstehen und zu verstärken. Mit welchem Thema und an welchem Beispiel diese deutlich und weiterentwickelt werden, ist nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist, dass die Themen nicht von außen, sondern auf dem geschilderten Weg gefunden werden und dann, unterstützt von den Kommunen und ihren Verwaltungen, reifen und komplex werden können.

Potential, auftauchende Schwierigkeiten und Lösungsansätze

Dirk Dobiéy, ehemaliger SAP Manager, analysiert wie künstlerisch geführte, rückgekoppelte Prozesse zu „zwingenden Lösungen“ führen, um daraus als Ökonom zu lernen. Dobiéy entstammt einer hierarchischen Konzernstruktur und ist beeindruckt von auf künstlerischem Weg gefundenen Ergebnissen. Als „zwingend“ bezeichnet er die eingangs genannten Lösungen, von hoher Dichte und Stimmigkeit. Ich als Künstlerin verwende das Wort „Stimmigkeit“, weil ich weiß, dass jeder Einwand, jede Idee die in komplexe Prozesse eingespeist wird, zur „Qualität“ ihrer Ergebnisse beiträgt. Eine solche Arbeitsweise ist zunächst ungewohnt. Die eigene Wahrnehmung, das eigene Fachwissen fließt in einen der gemeinsamen Zukunft der Region dienenden Prozess. Ungewohnt ist, dass neben der eigenen, auch andere, auf den ersten Blick noch nicht nachvollziehbare Beiträge den Prozess bereichern.

Feste Verwaltungsstrukturen vermitteln Sicherheit. Die oft hilfreichen Regeln und Schablonen erschweren häufig strukturelle Veränderungen. Die im Prozess sichtbar gemachten Ideen und Beobachtungen sind wesentlich. Das Regelwerk, für das Verwaltung Spezialistin ist, und das Querdenken beteiligter Laien und Kreativer sind gleichermaßen nötig.

Grundlagen und Gelingensbedingungen

  • Erste Voraussetzung für den Erfolg der Prozesse ist die sensible Abstimmung zwischen KünstlerIn und Verwaltungsspitze in allen relevanten Fragen. Die Kommunikation auf Augenhöhe innerhalb der konkreten Projektsituation erfordert ein temporäres Außer-Kraft-Setzen von Hierarchien.
  • Verwaltung hat die Aufgabe Normen zu bewahren und das Zusammenleben mittels bewährter Regeln zu steuern.
  • Die Verwaltung, als Spezialistin für das gesellschaftliche Regelwerk, ist mit ihrem Wissen unverzichtbar.
  • Dennoch müssen solche Prozesse mit denen begonnen werden, die ihre Perspektive normalerweise nicht selbst vortragen, um die für Innovationen nötigen neuen Wege möglich zu machen.
  • Herausforderung ist, allen Beteiligten durch konkrete und konstruktive Erfahrung von Zusammenarbeit auf Augenhöhe und ihrer Ergebnisse, Vertrauen in die Situation und temporärem Hierarchieverlust zu geben.
  • In vielen, als partizipativ bezeichneten Vorhaben besteht die Zusammenarbeit daraus, dass engagierte BürgerInnen der Verwaltung oder den Entscheidern eine Sammlung von Ideen liefern, unter denen diese, hinter verschlossenen Türen wählen. Dies darf nicht geschehen, weil es das Vertrauen der IdeengeberInnen zerstören würde.
  • Herausforderung für die IdeengeberInnen ist Vorschriften und Regeln zu akzeptieren, ohne sich entmutigen zu lassen.
  • Sammlungen von Perspektiven und Ideen lassen sich gemeinsam zusammenfügen, konkrete Schritte versuchsweise gehen, die entstehenden Ideen vertiefen, mit den IdeengeberInnen, BürgerInnen und SpezialistInnen anpassen, verändern, rückkoppeln. Über die wirkliche Beteiligung aller Interessierten, garantiert dieser Weg die für das System wesentlichen Bereiche einzubeziehen.
  • In der verabredeten Zusammenarbeit am Thema sind die gewachsenen Hierarchien temporär ausgesetzt, um gemeinsames Denken und Arbeiten auf Augenhöhe zu ermöglichen. Beide Seiten profitieren davon. Diejenigen, die gewohnt sind für andere Entscheidungen zu treffen und diejenigen, die gesellschaftlich an Entscheidungen nicht beteiligt sind. Das ist häufig der Großteil der Bevölkerung.

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Zum Gespräch einladende Möbel für heterogene Gruppen um im Austausch das große Ganze und durch dies hindurch die Relevanz seiner Teile sichtbar zu machen.

Zum Gespräch einladende Möbel für heterogene Gruppen, um im Austausch das große Ganze und durch dies hindurch die Relevanz seiner Teile sichtbar zu machen.

 

Konzept: Ute Reeh, Zentrum für Peripherie